Offener Brief zur Beteiligung am Untersuchungsausschuss Neukölln-Komplex

Gemeinsam mit den Initiativen und Gruppen Aufstehen gegen Rassismus Neukölln (AgR Neukölln), Andere Zustände Ermöglichen (aze), Basta – Britzer Bürger*innen fordern Aufklärung rechter Straftaten, Bündnis Neukölln, Hufeisern gegen Rechts, Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), Kein Generalverdacht,
Neukölln Watch, NSU Watch, OPRA – Psychologische Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer & antisemitischer Gewalt, ReachOut Berlin, Rudow empört sich und der VVN-VdA, Neukölln
wurde heute ein offener Brief an die Regierungskoalition im Berliner Abgeordnetenhaus geschickt um die Einbindung einer kritischen Zivilgesellschaft in einen anstehenden Untersuchungsausschuss zu den rechten Anschlagsserien in Neukölln und zu dortigen Behördenversagen zu fordern.


„Wir schreiben Ihnen gemeinsam als Neuköllner Initiativen, die sich gegen die jahrelange neonazistische Gewalt im Bezirk organisiert haben. Um die Ursachen des Behördenversagens bei rechten Angriffen aufzuarbeiten, haben wir uns für die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses eingesetzt, der laut Ihren Koalitionsvereinbarungen nun schnellstmöglich eingesetzt werden soll.

Wir möchten unsere Forderung bekräftigen, Neuköllner Initiativen, kritische Zivilgesellschaft und Betroffene der Anschläge dauerhaft und unmittelbar an der Arbeit des Untersuchungsausschusses zu beteiligen. Die Abgeordneten sind zur Aufklärung auf das Wissen der Initiativen angewiesen. Und die Initiativen können ohne unmittelbaren Zugang nur sehr begrenzt kritische Begleitung und Nachforschungen leisten, die auch für die Glaubwürdigkeit der Aufarbeitung Voraussetzung sind. Notwendig ist dafür, dass alle Sitzungen und Befragungen des Untersuchungsausschusses öffentlich stattfinden.

Wir erwarten, dass bereits bei der Erteilung des Auftrags für den Untersuchungsausschuss unsere Einbindung in die Arbeit des Untersuchungsausschusses erfolgt. Wer nicht die richtigen Fragen stellt, hat keine Chance auf Erkenntnis. Dabei ist unser Input unverzichtbar.

Grundsätzlich gilt:

Wegen der Zusammenhänge der rechten Terrorserie in Neukölln seit 2016 mit Anschlägen vor 2016 (z.B. auf das Falkenhaus) muss der Untersuchungszeitraum offenbleiben.

Wegen der überregionalen Vernetzung der Tatverdächtigen sowie ihrer Aktivitäten und Straftaten außerhalb des Bezirkes müssen rechte Verbindungen, Vorfälle und Akteure in ganz Berlin und darüber hinaus in den Untersuchungsauftrag aufgenommen werden. Dazu gehören insbesondere nicht aufgeklärte rechte Straftaten (z.B. der Mord an Burak Bektaş) und auch Erkenntnisse Nicht-Berliner Behörden.

Bei dem von der BAO Fokus und den Sonderermittler*innen festgestellten Versagen der Behörden im Neukölln-Komplex muss grundsätzlich nach dem Umgang mit rechten Straftaten und Aktivitäten, rechten Vorkommnissen in den eigenen Reihen, Sympathien mit rechten Ideologien und Tätern, Verbindungen zu rechten Akteur*innen, V-Leuten etc. gefragt werden.

Das beinhaltet auch bisher nicht untersuchte Verstrickungen der Berliner Behörden in den NSU-Komplex. Hierzu gehört die Untersuchung, inwiefern die Weigerung, einen Berliner Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex zu bilden, problematische Arbeitsstrukturen in den Berliner Behörden begünstigt hat.

Zum komplexen Charakter des Naziterrors in Neukölln gehört auch die Beteiligung verschiedenster Behörden. Neben den verschiedenen Ebenen der Berliner Polizei (Abschnitte, Direktionen, LKA) dürfen auch die Rolle und Verantwortung von Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft nicht ausgespart werden.

Unser Bedürfnis nach Aufklärung ist dringend. Durch unsere Mitwirkung wollen wir zum Erfolg des Untersuchungsausschusses beitragen. Und uns ist wichtig, dass einem möglichen Scheitern des Untersuchungsausschusses bereits jetzt entgegengewirkt wird.“