Alter Rassismus und neuer Revisionismus

In der heutigen Bezirksverordnetenversammlung Neuköllns soll eine Entscheidung darüber gefällt werden, die Wissmannstraße am Hermannplatz umzubenennen. Nach jahrelangen Kämpfen von Gruppen wie bspw. Berlin Postkolonial soll die Straße zukünftig den Namen von Lucy Lameck tragen, die 1962 als eine der erste Frau des tansanischen Parlaments einen Posten im Regierungskabinett bekleidete. Als Unterstützerin der panafrikanischen Idee hielt Lameck 1965 die vielbeachtete Rede „Africans Are Not Pohor“, in der sie Afrikas enormes Zukunftspotential unterstrich. Dabei betonte sie die Notwendigkeit einer selbstständigen Entwicklung und arbeitete erste Ideen für das später von Julius Nyerere propagierte Konzept eines spezifisch afrikanischen Sozialismus heraus.

Wie bereits in den vergangenen Jahren regt sich nun aber auch erneut revisionistischer Widerstand gegen eine postkoloniale Umbenennung der Straße. Heute wurden dazu Anschreiben an Anwohnende verteilt, in denen eine Initiative „Wissmann bleibt“ einen Klageweg gegen die Umbenennung anregt und zu gemeinsamen Spenden aufruft. Zu den Unterzeichnenden dieses Schreibens zählt u.a. die ehemalige stellv. Vorsitzende der Neuköllner AfD, Franziska Lorenz-Hoffmann, die zuletzt mit dem Teilen von NS-Propaganda Bildern in sozialen Medien auf sich aufmerksam gemacht hat. Ebenfalls unterschrieben haben ein weiteres AfD-Mitglied und eine Rentnerin, die bereits 2018 im Zusammenspiel mit der Neuköllner AfD in der Bezirksverordnetenversammlung nachfragte, weshalb „Menschen die unter schwierigsten Bedingungen in Ostafrika arbeiteten“ posthum verunglimpft würden. Gemeint war der Namensgeber der Wissmannstraße.

Hermann Wissmann war Befehlshaber der ersten deutschen Kolonialtruppe im so bezeichneten Deutsch-Ostafrika. Diese Truppe hatte im Jahr 1889 den Befehl einen Aufstand gegen die Deutsche Besatzung im heutigen Tansania nieder zu schlagen. Diesen Auftrag erfüllten die Soldaten unter dem Kommando von Hermann Wissmann mit schweren Waffen und rücksichtsloser Gewalt. Zunächst wurden die Indigenen mit Artillerie und Maschinengewehr beschossen, um ihnen im Anschluss in Wissmans Worten mit “einem energisch durchgeführten Bajonettangriff” den gar auszumachen.

Nicht selten wurden im Anschluss die Dörfer geplündert und die Felder verbrannt. Damit kommt Wissmann der zweifelhafte Ruhm zu, als erster in einem von Deutschen geführten Kolonialkrieg die Taktik der “Verbrannten Erde” angewandt zu haben. Im Deutschen Reich wurde Wissmann für diese rücksichtslose Kriegsführung gefeiert. Zahlreiche Straßen wurden nach ihm benannt. So auch die Wissmannstraße in Neukölln; am Hermannplatz.

Wir bleiben dabei:

Hermann Wissmann, Rassist:innen und Revisionist:innen haben in Neukölln nichts zu suchen.

Für eine antirassistische und antikoloniale Umbenennung der Wissmannstraße,

Und für die Umverteilung der AfD in den Abfalleimer der Geschichte.