Veranstaltungsreihe „Wem gehört die Stadt?“

„Community Organizing und Mieter_innenmobiliserung in Berlin“ – Podiumsveranstaltung mit Robert Maruschke, Kotti und Co. und „Zwangsräumungen Verhindern“

15.10.2014 19.00 Uhr Tristeza, Pannierstraße 5

Im Mai 2012 besetzten Mieter_innen des Wohnkomplexes am südlichen Kottbusser Tor, deren Freund_innen und Unterstützer_innen den Platz vor ihren Häusern um gegen steigende Mieten und die enorm gestiegenen Nebenkosten zu protestieren. Seitdem hat die Gruppe, die als Kotti & Co. inzwischen bundesweit und international bekannt ist, über 20 (Lärm-)Demos organisiert und hat die Diskussion über Rassismus im Zusammenhang mit Gentrifizierung auch in die (etablierte Politik) getragen. Im gleichen Jahr startete auch eine weitere Gruppe ihre Aktionen. Mit der Blockade von Hauseingängen, durch die Gerichtsvollzieher_innen daran gehindert werden sollten, die Räumungen von Wohnungen zu vollstrecken, gelang es dem Bündnis ‚Zwangsräumungen Verhindern‘ seitdem beinahe ein Dutzend erzwungene Auszüge zu verhindern.
Beiden Gruppen haben gemeinsam, dass es ihnen gelingt ein breites Spektrum an Betroffenen von steigenden Mieten und Verdrängung anzusprechen. Besonders daran ist, dass es anders als in vergangenen, häufig von linken Gruppen dominierten Bündnissen hier Alte, prekarisierte Menschen oder Migrant_innen sind, die dort selbst für ihre Rechte kämpfen.
Robert Maruschke, Autor und Aktivist hat ein Buch über Community Organizing geschrieben – einer aus den USA kommenden Technik, die sich mit der Aktivierung und Bestärkung von Menschen in der Nachbarschaft beschäftigt, um sich für ihrer Rechte einzusetzen. In diesem Zusammenhang untersucht er nicht nur die Ursprünge dieses Organisierungskonzeptes und theoretische Debatten, sondern auch praktische Anwendungsfelder bei der Mieter_innenmobilisierungen in Berlin. Gemeinsam wollen wir den Möglichkeiten von Community Organizing für aktuelle Kämpfe nachgehen, dieses aber auch als Instrument begreifen, das eingesetzt wird, um eine breite Akzeptanz für staatlich verordnete soziale Ungleichheit im Kiez zu schaffen.

Im Rahmen der Veranstaktungsreihe „Wem gehört die Stadt“ der Autonomen Neuköllner Antifa

Sonntag: Mahnwache in Gedenken an Burak – gegen alltäglichen Rassimus-gegen Neonazis

Mahnwache am 5. Oktober 2014 in Rudow am Sportplatz Stubenrauchstr.

Im Gedenken an Burak – Kein Vergessen – gegen den alltäglichen Rassismus – gegen Neonazis

Am 5. Oktober findet in Rudow, auf dem Sportplatz an der Stubenrauchstr., das Fussballspiel der Berlinliga TSV Rudow gegen Tennis Borussia statt. Diese Begegnung hat seit November 2011 eine besondere Brisanz, denn seit Jahren sind Neuköllner Neonazis, rechtsoffene Hooligans und andere Rassist_innen vor allem bei den Spielen gegen TeBe immer wieder unter den Rudower Fans präsent. Mit ihrer Anwesenheit und ihren Parolen wollen sie die Tebe-Fans, die bundesweit bekannt sind für ihre antrassistische und antifaschistische Fankultur, provozieren.

Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak möchte mit dieser Mahnwache im Oktober auf das Problem Rassismus in der „weißen deutschen Community“ in Süd-Neukölln hinweisen. Einerseits werden beim TSV Rudow im Jugendbereich auch viele Jungs mit Migrationshintergrund fussballerisch ausgebildet, andererseits wird es von den Offiziellen des Vereins stillschweigend geduldet, dass Neuköllner NPD-Funktionäre gezielt jugendliche Rudow-Fans anwerben. Auf diesen Widerspruch wurde die Vereinsführung des TSV schon mehrmals hingewiesen, ist aber offensichtlich nicht bereit sich ernsthaft mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Aufgrund des Hergangs und der Umstände der Tat – gerade vor dem Hintergrund des NSU-Komplexes – stellen wir die drängende und berechtigte Frage: War Rassismus wieder das Motiv? Der Mord steht damit durchaus im Zusammenhang mit den jahrelangen Aktivitäten von Neonazis und einer tendenziellen rassistischen Grundstimmung in Süd-Neukölln.

In der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 geschieht ein bis heute unfassbarer Mord im Neuköllner Ortsteil Buckow/Britz. Gegenüber vom Krankenhaus Neukölln in der Rudower Str. steht Burak B. mit Freunden und unterhält sich. Ein unbekannter weißer Mann geht gezielt auf die Gruppe migrantischer Jugendlicher zu und feuert mehrere Schüsse auf sie ab. Der damals 22-jährige Burak B. wird getroffen und stirbt – die Freunde Alex und Jamal werden schwer verletzt und sind bis heute traumatisiert. Es gab keinen Streit zwischen Opfern und Tätern – alles geschah wortlos.
Parallelen zu den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) tun sich auf und solange nichts gegenteiliges erwiesen ist, gehen wir davon aus das es sich um eine rassistische „Nachahmungstat” gehandelt hat. Die polizeilichen Ermittlungen sind bisher nicht wirklich erfolgreich – der Mörder ist weiterhin auf freiem Fuß und stellt eine Gefahr dar. Bis vor anderthalb Jahren wohnte in der Nähe des Tatortes, in der Siedlung Möwenweg/Goldhähnchenweg, eine junge Frau, die sich zum „Nationalen Sozialismus“ bekennt und auf ihrem damaligen „Facebook-Profil“ Sympathie für den schrecklichen Mord an Burak B. bekundete. Sie ist mit den Protagonisten der Neuköllner Neonazi-Szene gut bekannt und befreundet.

An dieser Stelle wollen wir auch auf Anschläge und Übergriffe durch Neonazis und anderen Rassist_innen in Neukölln vor allem aber in Süd-Neukölln hinweisen. Eine Chronik auf der Website der Autonomen Neuköllner Antifa reicht bis Mitte 1980 zurück ( antifa-neukölln.net/chronik ). Hierbei müssen insbesondere die Brandanschläge, auf das Kinder- und Jugendzentrum der Falken „Anton Schmaus Haus“ am 26./27. Juni 2011 und am 09.11.2011 sowie die Anschläge mit „Molotov-Cocktails auf die Einfamilienhäuser migrantischer Familien am 22. März 2008 und am 19/20. April 2008, erwähnt werden.
Am 20. Juni 2014 wird in Neukölln die Wohnung eines 56-jährigen Mannes, der der „rechten Szene“ nahe stehen soll, von der Polizei durchsucht. Es wurden scharfe Schusswaffen und dazugehörige Munition sichergestellt. Obwohl das zum Profil des Täters vom Mord an Burak passen könnte, ist die Polizei anderer Meinung und mit Informationen bezüglich der Ermittlungen äußerst sparsam. Anfang 2012 werden bundesweit von einer „Reichsbewegung-neue Gemeinschaft von Philosophen“ Briefe verschickt in denen offen gedroht wird das „wer am Tag X Deutschland noch nicht verlassen habe, werde standrechtlich erschossen“ – als Datum für die Ausreise nannten die „Reichsbürger“ den 1.August. Dieser Brief wurde vor allem an jüdische und muslemische Einrichtungen verschickt. Auch die Neuköllner Sehitlik-Moschee erhielt diesen neunseitigen Drohbrief. Selbst die umstrittene Behörde des Verfassungsschutz befürchtete dass sich durch diesen „Reichsbürgerbrief “ Einzeltäter „dazu aufgerufen fühlen könnten, aktiv zu werden“.

Wir stellen abschließend fest das der Mörder von Burak weiterhin auf freiem Fuß ist und eine Gefahr darstellt – das die Polizei ihre Ermittlungen in Richtung rassistische oder faschistsiche Täter offensichtlich nicht weiterführt.

DieInitiative wird aber weiter daran arbeiten, das dieser Mord aufgeklärt wird. Mit dem monatlichen Gedenken an Burak werden wir auch weiterhin in der Öffentlichkeit präsent sein und das „Problem Rassismus“ thematisieren.

http://burak.blogsport.de/
www.facebook.com/burak.unvergessen
burak-initiative@web.de

Veranstaltungsreihe „Wem gehört die Stadt?“

„Gentrifizierung und die richtige Kritik am Kapitalismus “

22.09.2014 / 19.00 Uhr – Tristeza (Pannierstraße 5)
Diskussionsveranstaltung mit Andrej Holm (Soziologe / HU Berlin) und Jimmy Boyle (Gruppen gegen Kapital und Nation)

Gentrifizierung scheint gerade in Neukölln als allgegenwärtiges Phänomen: Aus Leerstand werden schicke Boutiquen, Cafés und Szene-Kneipen, Arabisch und Türkisch hört man seltener, dafür mehr Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch, statt in wenigen Jahren mehrmals umzuziehen wird die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung zu einer jahrelangen Tortur.
Der Begriff Gentrifizierung ist in diesem Zusammenhang in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Doch was genau sind die Ursachen für die nicht nur in amtlichen Statistiken beobachtbaren Veränderungen in der Stadt? Verschiedene, auch linke Strömungen, haben in den letzten Jahren unterschiedliche Verursacher_innen für Gentrifizierungsprozesse ausgemacht: Tourist_innen, „Hipster“, Künstler_innen, gierige Investor_innen, verantwortungslose Politiker_innen auf der einen oder ‚den Kapitalismus‘, ‚der allgemeine Zwang zur Verwertung von Besitz‘ auf der anderen Seite. Während erstere an Äußerlichkeiten festgemachte Gruppen, aber auch Einzelpersonen moralisch, teilweise auch mit (physischer) Gewalt angriff, zogen sich Vertreter_innen von zweiterer Position auf eine theoretische und allgemeine Kritik am Kapitalismus zurück: ‚an der Verdrängung könne man nichts machen, bis der Kapitalismus überwunden ist‘. So beschäftigte man sich zwar nicht weiter politisch mit der Gentrifizierung, ärgerte sich aber gleichzeitig über die nächste Mieterhöhung und den Auszug der migrantischen Nachbar_innen.
Teile dieser Positionen spiegelten sich auch in einer Debatte zwischen Andrej Holm und der Gruppe Jimmy Boyle im Jahr 2011 wider. Beide debattierten darin um die Bedeutung von Eigentümertypen, die Entwicklung des Bodenmarktes und die Rolle des Staates als verantwortlich für Gentrifizierung. In unserer Veranstaltung wollen wir die Debatte wieder aufgreifen und weiterführen. Dabei beschäftigen uns folgende Fragen: Wie hängen Kapitalismus, Verdrängung und Aufwertung zusammen? Wie sieht eine „richtige“ Kritik an Strukturen und Akteuren aus und welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich für linke Gruppen daraus?

 

Zum Nachverfolgen hier die Links zur Debatte um die Kritik am Kapitalismus und Gentrifizierung zwischen Andrej Holm und Jimmy Boyle aus dem Jahre 2011:

Vortrag von Jimmy Boyle zum Thema Gentrification und die Ökonomie des Bodens mit einer Kritik an Andrej Holm:
https://gegen-kapital-und-nation.org/gentrification-0

Darauf folgte ein Briefwechsel zwischen Beiden, in dem die Rolle von Staat, Finanzkapital und Eigentümer_innentypen breiter diskutiert wurde:
https://gegen-kapital-und-nation.org/gen…teter-text

Was ist seither geschehen? Aktuelle Infos zu Forschung über Gentrifizierung und aktuellen Debatten gibt es auf Andrej Holms Blog:
http://gentrificationblog.wordpress.com/

 

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Weitere Veranstaltungen der Reihe:

„Kein Recht auf Stadt!?“ – Podiumsveranstaltung mit Amaro Foro, Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) und Sophie von einer Drugennutzer_innen-Ini
01.10.2014 – 19.30 Uhr – k-fetisch (Wildenbruchstraße 86)

„Community Organizing und Mieter_innenmobiliserung in Berlin“ – Podiumsveranstaltung mit Robert Maruschke, Kotti und Co. und Zwangsräumungen Verhindern
15.10.2014 19.00 Uhr Tristeza, Pannierstraße 5:

„Feministische Stadtplanung“ – Vortrag mit Sybille Bauriedl
30.10.2014 19.00 Uhr faq – Antisexistischer Infoladen, Jonasstraße 40

ANA-Redebeitrag zur Kundgebung „Gemeinsam gegen Antisemitismus“

An dieser Stelle dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der Kundgebung „Gemeinsam gegen Antisemitismus“ am 22.08.14. Einen Kurzbericht mit Fotos gibt es hier

Das Aufflammen des Antisemitismus in Europa in den letzten Wochen ist erschreckend, aber keineswegs überraschend. Antisemitische Ressentiments sind stets vorhanden und jederzeit abrufbar. Militärische Auseinandersetzung im Nahost-Konflikt führten bereits in der Vergangenheit regelmäßig zur Eskalation von Judenhass und antisemitischer Gewalt. Die Analyse des gegenwärtigen Welle von antiisraelischen Ausschreitungen bringt einige Herausforderungen mit sich. Zum einen muss klar benannt werden, dass der derzeit auf Gaza-Soli Demos geäußerte Antisemitismus nicht von deutschen Neonazis ausgeht, sondern von Teilen der arabisch-muslimischen Community in Deutschland und vermeintlich Friedensbewegten getragen wird. Eine emanzipatorisch Linke darf dazu nicht schweigen, weder aus falsch verstandenem Antirassismus noch aus bündnisstrategischen Überlegungen. Gleichzeitig muss klar gemacht werden, dass Antisemitismus weder ein Phänomen ausschließlich muslimischer Communities noch ein „importiertes“ Problem ist.

Die Kontinuitäten vom Nationalsozialismus zur deutschen Gesellschaft nach 1945 und insbesondere der BRD werden damit ausgeblendet. In dieser postnazistischen, bürgerlichen Gesellschaft nahm die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit keinen emanzipatorischen Charakter, sondern faktisch eine für den Nationalstaat und die deutsche Identität notwendige legitimatorische Funktion ein. Diese bezieht sich sowohl auf die allgemeinen Verhältnisse der bürgerlichen deutschen Ordnung als auch auf das konkrete Handeln des deutschen Nationalstaats. Das singuläre Wüten des Wahns deutscher Antisemit_innen wird zum moralisch unverdächtigen Legitimationsinstrument zur Durchsetzung deutscher Interessen und damit zum Ticket für die Rückkehr ins Konzert der Großmächte genutzt. Die neuen Kriege des geläuterten Aufarbeitungsweltmeisters werden, wie in Ex-Jugoslawien, nicht trotz, sondern wegen Auschwitz geführt..

Nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Antisemitismus ist dabei dem nationalen deutschen Interesse untergeordnet. Diese Unterordnung trifft auch auf die deutsche Außenpolitik zu. Das nicht zuletzt mit der Shoah begründete plakative Bekenntnis zu Israel stellt einen festen Bestandteil der deutschen Staatsräson dar. Diese vermeintliche Israelsolidarität muss als ein Fortbestehen des deutschen Antisemitismus unter gewandelten Vorzeichen verstanden werden. Eine Überwindung des antisemitischen Denkens innerhalb der deutschen Gesellschaft oder gar ihrer staatlichen Repräsentanten bedeutete diese keineswegs. Entgegen der bei jeder Gelegenheit heraus posaunten „besonderen Verantwortung“ der vermeintlich geläuterten deutschen Nation für den Staat Israel ist festzustellen, dass das Unterlaufen der Sicherheit Israels de facto weiterhin Teil des staatlichen Handelns der BRD ist. Trotz vorhandener gesetzlicher Grundlage, obrigkeitsstaatlicher Mittel und internationaler Ächtung macht die BRD keine Anstalten, deutsche Unternehmen daran zu hindern, Feinde Israels mit Waffen, Rüstungsgütern und militärisch verwendbaren Produkten auszustatten. Eine solche Kollaboration wurde im Falle des Iran im Jahr 2010 unfreiwillig enttarnt, als herauskam, dass das iranische Atomprogramm essentiell auf der Ausstattung durch Siemens-Produkte basiert. Durch diesen Handel unterstützt Siemens die Atombombenherstellung eines Regimes, das die Vernichtung Israels offen auf seine Fahnen geschrieben hat. Darüber hinaus ermöglicht Deutschland dem Iran seit Jahrzehnten die Lizenzproduktion des deutschen Sturmgewehrs G3, des ehemaligen Standardgewehrs der Bundeswehr. Diese deutsche Waffe wird auch von der Hisbollah und der Hamas bei ihren terroristischen Aktionen gegen Israel eingesetzt. Gleichzeitig exportiert Deutschland Waffen wie beispielsweise Kampfflugzeuge und Panzer an eine Reihe von islamistischen Diktaturen wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar. Diese autoritären Diktaturen, die sich in der Vergangenheit vor allem durch ihre Verachtung der Menschenrechte und ihren offensiv vorgetragenen Antisemitismus und Antizionismus ausgezeichnet haben, zählen mittlerweile zu den wichtigsten Abnehmern deutscher Rüstungsgüter.

Abseits dieser die Sicherheit und das Bestehen Israels unterlaufenden deutschen Außenpolitik sind
Antisemitismus und Antizionismus weiterhin wirkmächtige Ideologien in Deutschland. Große Teile der Bevölkerung bis hin zu den gesellschaftlichen Eliten teilen und transportieren antisemitische Ressentiments. Dass das so bleibt, dafür sorgt nicht zuletzt auch das deutsche Bildungswesen. Eine im Herbst 2012 veröffentlichte Untersuchung belegt, dass in allen den Nahost-Konflikt behandelnden deutschen Schulbüchern eine klare Rollenverteilung von israelischen Tätern und palästinensischen Opfern konstruiert wird. Generell wird Israel die Schuld an Gewalt und dem Konflikt generell gegeben. Gleichzeitig findet sich in allen untersuchten Schulbüchern nicht ein einziger Hinweis darauf, dass die Hamas Israel und alle Jüdinnen und Juden vernichten will. Scheinbar tut der deutsche Staat alles, um die Tradition des deutschen Antisemitismus und Antizionismus auch für die Zukunft zu bewahren. Die Souveränität und das Existenzrechts Israels werden im deutschen Diskurs permanent angegriffen.

Während deutscher Menschenrechtsbellizismus anderswo militärische Interventionen mit Auschwitz rechtfertigt, muss sich der Staat der Auschwitz-Überlebenden immer wieder der deutschen Friedensliebe erwehren. So lacht das deutsche Friedensherz, wenn Günter Grass Israel zum allein Schuldigen am Nahostkonflikt und zum Feind des Weltfriedens erklärt. Gern wird in Deutschland auch das Ressentiment gegen Israel als Sorge um die Menschenrechte getarnt. So unterstützt eine Reihe von Mitgliedern staatstragender Parteien antiisraelische Boykottinitiativen wie die von Pax Christi organisierte Kampagne „Besatzung schmeckt bitter“. Die Grünen forderten 2013 gar eine besondere Kennzeichnung israelischer Produkte und leisteten damit den antiisraelischen Boykottmaßnahmen in guter deutscher Tradition Vorschub. Nun wird Israel den Export von Milch und Geflügelprodukten aus dem Westjordanland einstellen. Im Februar diesen Jahres bat die EU Israel darum, die Produkte aus Ostjerusalem, den Golanhöhen und aus dem Westjordanland zu Kennzeichnen. Die neuen Richtlinien sollen am 1. September 2014 in Kraft treten. Der europäische Boykott ist heuchlerisch. Doppelstandards werden überdeutlich. Welche Produkte aus besetzten Gebieten müssen noch gekennzeichnet werden?

Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass wer Antizionismus bekämpfen und sich mit dem Schutzraum von antisemitisch Verfolgten solidarisch zeigen will, auf Deutschland nicht zählen kann. In den letzten Wochen gab es etliche Demonstrationen und Kundgebungen bei denen Israel als Aggressor dargestellt wird und die Verbrechen der Hamas unerwähnt blieben. Entgegen dem medial häufig vermittelten Zerrbildes eines muslimischen „Imports“, ließen auch etliche friedensbewegte biodeutsche Intellektuelle und Antiimperialist_innen ihrem Hass auf Israel freien Lauf.

Wer angesichts der aktuellen Entwicklungen Solidarität mit allen Juden_Jüdinnen fordert, muss auch Solidarität mit dem Jüdischen Staat fordern. Denn Israel ist und bleibt der Ort, der Staat, die Zuflucht der Überlebenden von Auschwitz, aller Überlebenden von antisemitischen Zuständen. Israel ist die notwendige Konsequenz, denn es geht ums Leben – als aktiver Part gegen Antisemitismus und als Gegenstück zum Tod, als Gegenstück zur Vernichtung.

Gegen jeden Antisemitismus! Nie wieder Deutschland!

„Marsch für das leben“?- What the Fuck!

Marsch für das Leben? What the Fuck!
Antifeminismus sabotieren! Für körperliche Selbstbestimmung demonstrieren! Christliche Fundamentalist_innen blockieren!

Für den 20. September 2014 mobilisiert der Bundesverband Lebensrecht (BvL) wieder zu einem »Marsch für das Leben« in Berlin. Damit will er für ein generelles Verbot von Schwangerschafts-Abbrüchen demonstrieren und etikettiert dies als »Lebensschutz«. Wie in den vergangenen Jahren wollen wir die Abtreibungs-Gegner_innen nicht ungestört ihre antifeministischen Positionen verbreiten lassen! Wir werden für körperliche Selbstbestimmung demonstrieren und anschließend den »Marsch« blockieren!

Die Gruppen und Organisationen, die sich an diesem »Marsch« beteiligen, betrachten jeden Schwangerschaftsabbruch als »vorgeburtliche Kindstötung«, die verboten und bestraft gehöre. Sie sprechen damit allen Menschen, die schwanger werden können, dementsprechend vor allem Frauen_Lesben_Trans*_Inter* (kurz: flti*), das Recht ab, über ihr Leben und ihren Körper selbst zu bestimmen. Um diese Meinung in der Öffentlichkeit zu verankern, verbreiten die Abtreibungsgegner_innen Unwahrheiten und betreiben Lobbyarbeit. Dabei versuchen die Abtreibungs-Gegner_innen nicht nur bundesweit gegen das Selbstbestimmungsrecht von flti* mobil zu machen. »Märsche für das Leben« finden seit einigen Jahren in zahlreichen Städten auf der ganzen Welt statt. Auch auf europäischer Ebene wurde dies in den letzten zwei Jahren sichtbar: Die Initiative »One of us« (deutsch: »Einer von uns«) sammelte knapp 1,9 Millionen Unterschriften, um die EU-Kommission dazu zu bewegen, eine Gesetzesinitiative im Europaparlament einzureichen, die finanzielle Unterstützung von Schwangerschafts-Abbrüchen zu verbieten. Die EU-Kommission lehnte den Antrag glücklicherweise ab. Die deutsche Sammelstelle für die Unterschriften war die »Zivile Koalition e. V.«, deren Sprecherin Beatrix von Storch 2013 beim »Marsch« in der ersten Reihe lief. Sie sitzt aktuell für die nationalkonservative Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) im EU-Parlament und prangerte in der Vergangenheit eine angebliche »Macht der Schwulenlobby« an. Die Wahl der AfD ins EU-Parlament steht beispielhaft für den aktuellen europäischen Rechtsruck, der sich auch in einer verstärkten Agitation gegen das Recht auf Schwangerschafts-Abbrüche ausdrückt.

Die meisten der Abtreibungs-Gegner_innen sind christliche Fundamentalist_innen. Sie kämpfen für eine Gesellschaft, die auf der bürgerlichen Kleinfamilie, Zweigeschlechtlichkeit, Trans*feindlichkeit, einer strengen Sexualmoral, Verbot von Homosexualität und auf »Schicksals«- und Obrigkeitsergebenheit beruht. Die Antifeminist_innen behaupten, sie agierten gewaltfrei, doch – z. B. in den USA und in Großbritannien – blockieren Abtreibungs-Gegner_innen Kliniken und bedrohen, nötigen und verletzen dabei sowohl Ärzt_innen als auch Menschen, die abtreiben wollen. In den USA kam es in diesem Zusammenhang auch schon zu Bomben- und Mordanschlägen auf Ärzt_innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Auch in Deutschland und Österreich werden flti*, die Abtreibungskliniken aufsuchen, teilweise durch sogenannte »Gehsteigberatung« eingeschüchtert und bedrängt, Ärzt_innen als »Massentöter« diffamiert. Gruppen und Personen, die sich für ein liberales Abtreibungsrecht einsetzen, werden beschimpft und bedroht. Nachdem die selbsternannten Lebensschützer_innen bei einem »Kliniktest« in Köln herausgefunden hatten, dass zwar kein einziges katholisches Krankenhaus die »Pille danach« verschrieben, aber vier Klinken Personen an andere Notfallpraxen verwiesen hatten, erging von Seiten des Bistums eine Unterlassungsanweisung. Dies führte im Dezember 2012 dazu, dass sich zwei katholische Kliniken weigerten, eine von einer Vergewaltigung betroffene Person zu untersuchen, da keine »Pille danach« verschrieben werden könne. Nach einem öffentlichen Aufschrei sah sich der Kölner Kardinal Meisner gezwungen, den Kliniken zu erlauben, die »Pille danach« verschreiben zu können. Hierzu revidierte er seine Haltung und definierte das Medikament vom Abtreibungs- zum Verhütungsmittel um. Dieses Beispiel verdeutlicht den Entscheidungsspielraum kirchlicher Amtsträger die Lebenswirklichkeit von flti* zu erleichtern, wenn denn der politische Wille vorhanden oder der öffentliche Druck groß genug ist.

Christliche Fundamentalist_innen können sich unterdessen einer wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz sicher sein. So steigt die Zahl der Teilnehmer_innen des Berliner »Marsches« in den letzten Jahren kontinuierlich an. Waren es 2008 noch weniger als 1000 Fundamentalist_innen, beteiligten sich letztes Jahr über 4.000 Abtreibungs-Gegner_innen. Für dieses Jahr kündigen die Organisator_innen knapp 30 Sonderbusse (letztes Jahr 20 Busse) aus dem ganzen Bundesgebiet an. Auch prominente Politiker_innen etablierter Parteien bekunden offen ihre Unterstützung der Ziele der selbst ernannten Lebensschützer_innen, offenbar ohne dabei Kritik fürchten zu müssen. Grußworte beigesteuert hat 2013 neben dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Hubert Hüppe.

Weltweit sind Abtreibungs- und andere reproduktive Rechte umkämpft, von deren Einschränkungen vor allem flti* betroffen sind. Nach wie vor sterben weltweit jährlich mehrere zehntausend flti* an nicht korrekt durchgeführten – weil illegalisierten – Abtreibungen. In Irland gilt ein absolutes Abtreibungsverbot und so starb im Herbst 2012 eine 31jährige Frau, nachdem sich ein Universitätskrankenhaus bei einer Schwangerschaftskomplikation weigerte, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. In Spanien wird derzeit im Abgeordnetenhaus die Verschärfung des Abtreibungsrechts diskutiert. Dass der diskutierte Gesetzesentwurf, bei dem ein Schwangerschafts-Abbruch lediglich im Falle einer Vergewaltigung oder der Gesundheitsgefährdung der schwangeren Person möglich ist, wird wahrscheinlich noch dieses Jahr trotz heftiger Proteste verabschiedet werden. Demgegenüber wurde in der Schweiz im Februar eine Volksabstimmung abgelehnt, deren Ziel es war, dass Schwangerschafts-Abbrüche nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden.

Anders als oft angenommen, gilt eine Abtreibung auch in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch weiterhin als Straftat, die nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Wer abtreiben will, muss sich zwangsweise von staatlich anerkannten Stellen beraten lassen und danach drei Tage warten, bevor der Eingriff vorgenommen wird. Diese Regelung bedeutet eine staatlich institutionalisierte Entmündigung von flti*, die nicht selbst über ihren Körper und ihre Lebensplanung entscheiden dürfen. Die Beratung und Abtreibung muss in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft geschehen – es sei denn, es wird eine »Gefahr für die psychische und physische Gesundheit« der schwangeren Person festgestellt.

Andererseits sind aber »Schädigungen« des Fötus, die in vorgeburtlichen Untersuchungen festgestellt werden, oft der eigentliche Grund für einen Abbruch nach der zwölften Woche. flti* werden zunehmend für die »Gesundheit« und »Qualität« ihres Nachwuchses zur Verantwortung gezogen und zu solchen Untersuchungen gedrängt. Dass sie ein Recht auf Nichtwissen haben, wird meist nicht erwähnt. Ein Gen-Test mit dem Blut der Schwangeren auf Trisomie 21 (»Down-Syndrom«) wurde im letzten Jahr auf dem deutschen Markt zugelassen. Der Druck auf Schwangere zur Selektion ist Bestandteil der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, die mit rassistischen, ableistischen (behindertenfeindlichen) und sexistischen Normvorstellungen aufrechterhalten wird.

Wir dagegen streben eine Gesellschaft an, in der weder religiöse Moralvorstellungen, gesellschaftliche Normierungen noch staatliche Zugriffe über das Leben und den Körper von Menschen bestimmen. flti* sollen auf Grund einer Abtreibung weder gesundheitliche noch rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft soll ohne Eingriff oder Belehrungen des Staates und ohne Angst vor moralischer Verurteilung möglich sein. Um die Rahmenbedingungen für eine weitreichende Selbstbestimmung über den eigenen Körper herzustellen, muss Abtreibung legalisiert werden. Außerdem muss der Zugang zu Verhütungsmethoden wie der »Pille danach« ermöglicht werden. Diese ist in Deutschland (so wie in fast allen anderen europäischen Ländern) entgegen den Empfehlungen der WHO immer noch nicht rezeptfrei, das heißt ohne Bittsteller_innentum. Wir wollen eine Gesellschaft, in der eine »Behinderung« kein Problem oder Mangel darstellt. Kein Mensch soll sich »verpflichtet« fühlen abzutreiben, weil eine Behinderung des späteren Kindes wahrscheinlich erscheint.

Wir rufen dazu auf, sich an unserer feministischen Demonstration zu beteiligen sowie den »Marsch« der Fundamentalist_innen zu blockieren und fordern:

  • Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch
  • Entscheidungsfreiheit für oder gegen eine Abtreibung ohne Bevormundung
  • Kostenlosen und (rezept-)freien Zugang zu allen Verhütungsmitteln (auch zur »Pille danach«) für alle Menschen, unabhängig von Aufenthaltsstatus oder Mitgliedschaft in einer Krankenversicherung
  • Anerkennung der sexuellen, geschlechtlichen und körperlichen Selbstbestimmung
Demo: Samstag | 20. September | 11.30 Uhr | U-Bhf. Kochstraße (U6 / M29)
Danach: Protest gegen den “Marsch für das Leben” (13 Uhr / Willy-Brandt-Straße)

 

Veranstaltungstipp im Vorfeld:

„Lebensschützer“ – antifeministische Gotteskrieger

mit Eike Sanders und Ulli Jentsch

10.09.14 I 20 Uhr I k-fetisch