Auch 2015: „Marsch für das Leben“? – What the Fuck!

Marsch für das Leben“? – What the fuck! Antifeminismus sabotieren! Für körperliche Selbstbestimmung demonstrieren! Christliche FundamentalistInnen blockieren!

Dem Marsch, seinen AkteurInnen und ihrem Gedankengut entschlossen entgegentreten!
Für den 19. September 2015 mobilisiert der Bundesverband Lebensrecht (BVL) wieder zu einem „Marsch für das Leben“ in Berlin. Der Marsch ist einer der wichtigsten öffentlichen Auftritte der selbsternannten „LebensschützerInnen“1 und verbindet eine br

eite reaktionäre, antifeministische und fundamentalistische Bewegung, die sich im Rahmen dieser jährlichen Veranstaltung kontinuierlich verfestigt. Betroffen von der Forderung des BV

L nach einem generellen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen sind vor allem Frauen_Lesben_Trans*_Inter* (kurz: FLTI*2). Ihre Möglichkeiten, darüber zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft au

stragen wollen oder nicht, sollen noch weiter eingeschränkt werden. Nicht zuletzt die wachsenden TeilnehmerInnenzahlen des Marsches, von der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft bis hin zu organisierten Neonazis, machen eine entschlossene Antwort notwendiger denn je. Wie in den vergangenen Jahren wollen wir die Abtreibungs-GegnerInnen nicht ungestört ihre antifeministischen und reaktionären Positionen verbreiten lassen! Wir werden für körperliche Selbstbestimmung demonstrieren und anschließend den „Marsch für das Leben“ blockieren!

Sexualität nur im Dienste der Fortpflanzung – What the fuck?

Der Bundesverband Lebensrecht, der zum 13. Mal zu einem „Marsch für das Leben“ nach Berlin mobilisiert, steht für ein generelles Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen und bezeichnet dies als „Lebensschutz“. Die Märsche, die jährlich in Annaberg-Bucholz, Berlin, Freiburg, Fulda, München und Münster stattfinden, sind dabei die wichtigste Aktionsform für die „LebensschützerInnen“.

Die Zahl der TeilnehmerInnen des Berliner »Marsches« wuchs dabei in den letzten Jahren kontinuierlich an. Waren es 2008 noch weniger als 1000 Fundis, beteiligten sich letztes Jahr über 5.000 AbtreibungsgegnerInnen. Für dieses Jahr kündigen die OrganisatorInnen wieder knapp 30 Sonderbusse aus dem ganzen Bundesgebiet an. Prominente Politiker_innen etablierter Parteien bekunden offen ihre Unterstützung für die Ziele der „LebensschützerInnen“, offenbar ohne dabei Kritik fürchten zu müssen. Grußworte beigesteuert haben 2014 neben

dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion V

olker Kauder auch der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe. Kern der Argumentation der „LebensschützerInnen“ ist die Gleichsetzung von befruchteter Eizelle und Kind. Ein Schwangerschaftsabbruch wird somit zur „vorgeburtliche Kindstötung“, die bestraft und verboten werden soll. Diese Gleichsetzung von Embryo und Kind ist dabei eine sehr wirksame soziale Konstruktion, bei der dem Leben und den Interessen der FLTI* das Leben und die Interessen des ungeborenen „K

indes“ gegenübergestellt werden. Einer befruchteten Eizelle werden dabei alle möglichen Eigenschaften sowie ein eigener Lebenswille zugesprochen. Aus diesen Gedanken heraus erscheinen den Abtreibungsgegner_innen alle Schwangerschaftsabbrüche als „Massenmord am ungeborenen Leben“.

Die meisten der AbtreibungsgegnerInnen sind christliche FundamentalistInnen. Sie kämpfen für eine Gesellschaft, die auf der bürgerlichen Kleinfamilie, Zweigeschlechtlichkeit, Trans*feindlichkeit, einer strengen Sexualmoral, einem Verbot von

Homosexualität und auf „Schicksals“-und Obrigkeitsergebenheit beruht. In der Argumentation der FundamentalistInnen ist ein Embryo vor allem deshalb so wertvoll, weil er ein Segen Gottes ist. Das Leben generell steht für die „LebensschützerInnen“ im Dienste Gottes, nicht nur das des Embryos, sondern auch das der Schwangeren, welche ihre Interessen einem göttlichen Plan unterordnen soll.

Mit der Berufung auf „altbewährte“ Normen bieten die „Lebensschüt

zerInnen“ dabei eine einfache Antwort auf die Verunsicherungen u.a. des kapitalistischen Alltags, die insbesondere in Zeiten der Wirtschaftskrise laut werden und die der bürgerlichen Gesellschaft des Kapitalismus aufgrund seiner Zwänge und Widersprüche innerlich sind. Dahinter stecken vermeintliche Ängste vor dem Verlust des eigenen Lebensstandards, die sich in der Abneigung von allem „Neuen“ äußern, zum Beispiel in der Aufweichung des traditionellen Familienmodells oder auch einer sogenannten  „Überfremdung“ durch Geflüchtete. Ihre Vorstellungen von Familie und Sexualität stützen sich dabei auf patriarchale Gesellschaftsstrukturen, deren Kern die weiße heterosexuelle Kleinfamilie und der Ausschluss aller Abweichungen von dieser sind.

Familie als Keimzelle der Nation – What the fuck?

Die Sehnsucht nach rückwärtsgewandten Lebensentwürfen als stabilisierende Koordinaten kommt  in der Ablehnung vermeintlich schädlicher Folgen von Modernisierung und Individualisierung zum Ausdruck, beispielsweise in den Debatten um „Genderismus“ der sogenannten „Besorgten Eltern“ und in deren Externalisierung auf ‘Fremdes’. Der „Marsch für das Leben“ ist ein Ausdruck dieser reaktionären gesellschaftlichen Debatten. Im Zuge zunehmender rechtspopulistischer Mobilisierungen in Europa können sich die christlichen FundamentalistInnen mit ihren Positionen einer wachsend

en gesellschaftlichen Akzeptanz sicher sein. Der Marsch hat damit über das Spektrum des christlichen Fundamentalismus hinaus Bedeutung als ein breites Sammelbecken reaktionärer, nationalistischer und völkischer Positionen und politischer Kräfte.

Nicht erstaunlich, zeigen sich ihre Argumentationen doch immer wieder offen und anschlussfähig gege

nüber nationalistischen und rassistischen Argumentationen. Während das Selbstbestimmungsrecht von FLTI* in der christlichen Rhetorik dem vermeintlichen Dienst an Gott untergeordnet wird, sind es eben auch Volk und Nation, denen sie als „Mütter“ zu dienen haben. So formuliert die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry: „Die deutsche Politik hat eine Eigenverantwortung, das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen.“ Sie bedient damit eine zentrale Argumentation sowohl der „Lebensschutz“-Bewegung als auch der Neuen Rechten, die beide in völkisch-nationalistischer Manier die Hebung der ‘deutschen’ Geburtenrate zur Lösung der demografischen Krise fordern. Personen der organisierten „Lebensschutz“-Bewegung sind politisch  mit reaktionären un

d konservativen Parteien und Organisationen bestens vernetzt. So sind beispielsweise auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière oder die Europaparlaments-abgeordnete  der AFD Beatrix von Storch gern gesehene Gäste auf den Veranstaltungen der fundamentalistischen ChristInnen und anderer „Lebensschutz“-Organisationen. Über das Thema vernetzen sie sich auch mit der Neuen und radikalen Rechten. Dies zeigen beispielsweise Interviews des Vorsitzenden der BVL, Martin Lohmann, in Zeitschriften wie der  „Jungen Freiheit“und dem Magazin „Compact“. Besonders zynisch wird ein nationalistischer „Lebensschutz“ in Anbetracht des politischen Tagesgeschehens, in dessen Folge durch

Abschottung und Austerität an Europas Außengrenzen und seiner Peripherie tausende Menschen verelendet werden und sterben.

Christlicher Fundamentalismus und Abtreibungsverbot – What the fuck?
Weltweit sind Abtreibungs- und andere reproduktive Rechte umkämpft, von deren Einschränkungen vor allem FLTI* betroffen sind. Nach wie vor sterben weltweit jährlich mehrere zehntausend FLTI* an nicht korrekt durchgeführten – weil illegalisierten –Schwangerschaftsabbrüchen. Anders als oft angenommen gilt eine Abtreibung auch in Deutschland gemäß §218 Strafgesetzbuch weiterhin als Straftat, die nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Wer abtreiben will, muss sich zwangsweise von staatlich anerkannten Stellen beraten lassen und danach drei Tage warten, bevor der Eingriff vorgenommen wird. Diese Regelung bedeutet eine staatlich institutionalisierte Entmündigung von FLTI*, die nicht selbst über ihren Körper und ihre Lebensplanung entscheiden dürfen. Die Beratung und Abtreibung muss in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft geschehen – es sei denn, es wird eine „Gefahr für die psychische und physische Gesundheit“ der schwangeren Person festgestellt.

Andererseits sind aber „Schädigungen“ des Fötus, die in vorgeburtlichen Untersuchungen festgestellt werden, oft der eigentliche Grund für einen Abbruch nach der zwölften Woche. FLTI* werden zunehmend für die „Gesundheit“ und „Qualität“ ihres Nachwuchses zur Verantwortung gezogen und zu solchen Untersuchungen gedrängt. Dass sie ein Recht auf Nichtwissen haben, wird meist nicht erwähnt. Ein Gen-Test mit dem Blut der schwangeren Person auf Trisomie 21 („Down-Syndrom“) wurde 2013 auf dem deutschen Markt zugelassen. Der Druck auf Schwangere zur Selektion ist Bestandteil der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, die mit rassistischen, ableistischen (behindertenfeindlichen) und sexistischen Normvorstellungen aufrechterhalten wird.

Auffallend ist, dass in der Lebensschutz-Bewegung zunehmend nicht mehr nur die Kritik an Schwangerschaftsabbrüchen laut wird, sondern darüber hinaus auch vermehrt als Kritik am Selbstbestimmungs-Begriff. Insbesondere im Zusammenhang mit den Diskussionen um Sterbehilfe, Pränataler Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik deklariert die Lebensschutz-Bewegung die Kritik an der Selbstbestimmung als ihr Thema. Diese auch berechtigte Kritik am Begriff der Selbstbestimmung und den Verfahren vorgeburtlichen Diagnostik greift die Lebensschutzbewegung in Form einer Selektionskritik im Namen Gottes auf. Hierbei inszenieren sie sich, trotz jahrzehntelanger Selbstorganisation von Menschen mit Behinderung, als rettende und legitime HelferInnen. Selbstbestimmung wird darin kritisiert, weil in ihr die Gefahr einer Emanzipation von Gott lauert. Dabei sollen nicht die lebenden Menschen entscheiden, wann sie sterben wollen oder ob sie Schwangerschaften austragen, sondern Gott.

Eine kritische emanzipatorische Perspektive am Konzept der Selbstbestimmung im Kontext der kapitalistischen Verhältnisse sieht jedoch anders aus. Selbstbestimmung im Kapitalismus  bedeutet oft eine permanente Leistungsbereitschaft, Selbstoptimierung und Dauerverwertung. Selbstbestimmung muss trotz aller Widersprüchlichkeiten dennoch eine wichtige Forderung queerfeministischer Kämpfe bleiben. Denn wo weiße deutsche cis*-Frauen überlegen können, inwiefern ihre selbstbestimmten Entscheidungen für oder gegen eine Schwangerschaft ideologisch aufgeladen sind, haben eine solche Möglichkeit nicht alle FLTI*. Das gilt beispielsweise in Deutschland sowohl für illegalisierte FLTI* als auch für Trans* und Inter*Personen, die mit weitaus höheren pathologisierenden medizinischen Barrieren rechnen müssen, sofern sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden.

Unsere Antwort: Sabotieren, Demonstrieren, Blockieren!
Auch wenn sich die „LebenschützerInnen“ oft als harmlose Gläubige darstellen, sind sie das keineswegs. Im Gegenteil: Reaktionärer Fundamentalismus ist eine reale Gefahr. Er ist es als christlich fundamentalistische „Lebensschutz“-Bewegung und er ist es als reaktionäre Bewegung von Rechtspopulist_innen und Rechtsradikalen. So bedrängen „LebensschützerInnen“ regelmäßig FLTI* mit Horrorbildern von Abtreibungen im Rahmen von weltweit praktizierten “Gehsteigberatungen”. Insbesondere in den USA kommt es hier vermehrt zu körperlichen Angriffen auf FLTI* oder auf entsprechende Kliniken.

Ihr Einfluss in Gesellschaft, Medien und Parlamenten wächst. Die EU-weite Petition der Bürgerinitiative „One of us“ erreichte mehr als 1,8 Millionen Unterschriften. Darin wird u.a. gefordert, dass Entwicklungshilfeorganisationen, die FLTI* den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gewährleisten, die finanziellen Mittel gestrichen werden. Durch Aktionen wie den “Marsch für das Leben” versuchen sie ihre Positionen weiter in die Öffentlichkeit zu tragen und zu stärken. Das werden wir nicht zulassen! Wir müssen den „Marsch für das Leben“ als das verstehen, was er ist: Keine harmlose Prozession von Christ_innen, sondern ein direkter Angriff auf die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung von FLTI*s und allen Menschen, die sich keinem reaktionären, nationalistischen und rassistischen Gesellschaftsbild beugen wollen! Diesem Angriff werden wir uns entschlossen entgegenstellen! Deshalb rufen wir dazu auf, sich an unserer feministischen und antifaschistischen Demonstration zu beteiligen und anschließend den “Marsch” der FundamentalistInnen zu blockieren und zu sabotieren!

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der weder religiöse Moralvorstellungen, gesellschaftliche Normierungen noch staatliche Zugriffe über das Leben und den Körper von Menschen bestimmen.
FLTI* sollen auf Grund eines Schwangerschaftsabbruches weder gesundheitliche noch rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft soll ohne Eingriff oder Belehrungen des Staates und ohne Angst vor moralischer Verurteilung möglich sein. Dazu gehört auch der Zugang zu Verhütungsmitteln wie der Pille danach. Um die Rahmenbedingungen für eine weitreichende Selbstbestimmung über den eigenen Körper herzustellen, muss Abtreibung legalisiert werden. Wir wollen eine Gesellschaft, in der eine „Behinderung“ kein Problem oder Mangel darstellt und nicht als medizinisches Argument für Schwangerschaftsabbrüche angebracht wird. Kein Mensch soll sich aus einer gesellschaftlichen Verwertungslogik heraus „verpflichtet“ fühlen abzutreiben, weil eine Behinderung des späteren Kindes wahrscheinlich erscheint. Wir fordern eine Gesellschaft, in der sexuelle Selbstbestimmung und unterschiedliche sexuelle Lebensweisen gleichberechtigt anerkannt werden. Wir fordern eine Gesellschaft ohne Rassismus, Behindertenfeindlichkeit, Nationalismus und Volk. Wir kämpfen für eine emanzipatorische Praxis von Selbstbestimmung, die sich nicht in kapitalistischen Verwertungslogiken verirrt und nur jenseits von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen funktionieren kann.

Antifaschistische und queerfeministische Demonstration: 19. September 2015, 11 Uhr, S Anhalter Bahnhof (Bahnhof verfügt über einen Fahrstuhl)

 

Außerdem empfehlen wir euch folgende inhaltliche Veranstaltungen im Vorfeld

Infoveranstaltung: Antifeminsmus von Rechts in Polen
15.09.15 I 19.30 Uhr I B-Lage (Mareschstraße 1)
 
Podiumsdiskussion: Sabotieren,Demonstrieren, Blockieren? Proteste gegen reaktionäre und antifeministische Bewegungen
18.09.2015 I 19:30 Uhr I K9 (Kinzigstraße 9)

Richtigstellung der Autonomen Neuköllner Antifa zu Vorkommnissen am Rande der antirassistischen Demonstration „Es reicht! Ya Basta!“ am 27.08.2015 in Berlin-Wedding/Moabit

Bei der Auftaktkundgebung der Demonstration auf dem Nettelbeckplatz am S/U-Bahnhof Wedding wurden vier Personen der Demonstration verwiesen und schlussendlich von der Polizei aus der Kundgebung begleitet. Einer von ihnen war Martin Lejeune. An uns wurde die Forderung herangetragen, zu dem Ausschluss der Personen Stellung zu nehmen und uns zu entschuldigen. Wir bedauern, dass es zu dieser unnötigen und vermeidbaren Eskalation kam und umso mehr, dass es letztendlich die Polizei war, die die Personen zum Verlassen der Demonstration bewegen musste. Wir sehen aber keinen Anlass uns zu entschuldigen, denn wir werden auch weiterhin Antisemit*innen und jene, die sich mit diesen solidarisieren auf von uns organisierten Veranstaltungen und Demonstrationen nicht dulden. Ausschlaggebend für die Entscheidung zum Ausschluss von der Demo waren alleine die Äußerungen und das Verhalten der konkret betroffenen Personen in der Vergangenheit und am Tag selbst. Ihre Herkunft und ihre biografischen Hintergründe spielten zu keiner Zeit eine Rolle. Wir möchten jedoch den im Nachgang verbreiteten politisch motivierten Falschdarstellungen entgegentreten:

 

Als die Demonstration sich noch am Auftaktort sammelte, machten uns Teilnehmer*innen auf die Anwesenheit von Martin Lejeune aufmerksam. Lejeune fiel zuletzt als Redner bei der Auftaktkundgebung der antisemitischen Al-Quds-Demonstration am 11.07.2015 in Berlin auf. In seiner Rede setzte er die israelische Regierungspolitik mit dem industriell organisierten nationalsozialistischen Judenmord der Shoah/des Holocaust gleich. Lejeune: „Deutschland trägt schon die Schuld an einem Holocaust. Es darf nicht noch einen Holocaust geben.“ Weiter sagte er, dass „[…] in Gaza ein Völkermord stattfindet, ein Völkermord stattfindet an den Palästinensern, verübt durch die israelische Armee […]. Die deutsche Regierung unterstützt und bewaffnet die israelische Armee, um den Völkermord an den Palästinensern durchzuführen.“ (1) Der auf Israel bezogene NS-Vergleich ist ein beliebtes Mittel auch des deutschen Schuldabwehrantisemitismus, er dämonisiert Israel und verharmlost gleichzeitig die Verbrechen des Holocaust. Martin Lejeune wurde in ruhigem und sachlichem Ton erklärt, dass er die Demonstration aus diesem Grund verlassen muss. Lejeune ignorierte jedoch die wiederholten Anspracheversuche, setzte stattdessen sein Telefongespräch fort und entfernte sich einige Schritte. Etwa fünf Personen aus seinem Umfeld solidarisierten sich mit Lejeune und stellten sich vor ihn. Ihnen wurde erklärt, dass nur Martin Lejeune die Demonstration verlassen müsste und dass niemand auf Grund seiner Kleidung – die Personen trugen teilweise „Free Palestine“-T-Shirts und so genannte Palästinensertücher – oder seines biografischen Hintergrunds ausgeschlossen werde. Ihnen wurde mehrmals erklärt, dass eine Eskalation nicht gewünscht ist. Die Sympathisant*innen verhielten sich in der Folge äußerst aggressiv, sie begannen Genoss*innen und Teilnehmer*innen abzufilmen, als „Rassisten“ und „Faschisten“ zu beschimpfen und teilweise zu schubsen. Von den beteiligten Genoss*innen und Teilnehmer*innen ging – anders als Martin Lejeune hinterher auf Facebook behauptete – zu keinem Zeitpunkt Gewalt aus. Weitere Personen kamen nun hinzu und solidarisierten sich mit der Gruppe um Lejeune. Inzwischen war auch die Polizei auf die größer werdende Menschentraube aufmerksam geworden. Der Anmelder der Demonstration wurde dazu geholt, um Martin Lejeune und drei weitere Personen, die sich zuvor besonders aggressiv und uneinsichtig gezeigt hatten, von der Versammlung auszuschließen. Es kam zu einem kurzen Gerangel, das erneut von Lejeune und seinen Unterstützer*innen ausging. Nun, etwa zwanzig Minuten nach der ersten Aufforderung an Martin Lejeune die Demo zu verlassen, schritt die Polizei ein. Der Anmelder bat die Polizei nun, den Ausschluss gegen die vier Personen durchzusetzen. Martin Lejeune und die drei weiteren Personen wurden aus der Kundgebung begleitet. Sie hielten sich weiter im Umfeld der Demonstration auf und reihten sich später teilweise im hinteren Teil der Demo ein.

 

Es bleibt festzuhalten, dass die Verantwortung für die Eskalation und den folgenden Polizeieinsatz ausschließlich bei Martin Lejeune liegt, der die politische Inszenierung seiner Person offensichtlich über die Sicherheit seiner Mitstreiter*innen stellt. Seine im Nachgang veröffentlichte, Tatsachen verdrehende wie entlarvende „Gegendarstellung“ ist ein weiterer Beleg dafür.

 

Drei Geschehnisse, die sich in den Tagen nach der Demonstration ereigneten, bestärken uns in der Ansicht, dass der Ausschluss von Martin Lejeune und den übrigen drei Personen eine richtige Entscheidung war.

 

„Mahnwache“ Brandenburger Tor, 29.08.2015:

Bei einer „Mahnwache“ sollen die Namen von bei Einsätzen des israelischen Militärs getöteten Palästinenser*innen verlesen werden. Zu den Organisator*innen der „Mahnwache“ gehört der ebenfalls anwesende Martin Lejeune. Ein im Internet veröffentlichtes Video (2) zeigt, wie ein 90-jähriger Holocaust-Überlebender aus England und sein in den USA lebender Sohn, die sich anlässlich einer Ehrung im Deutschen Historischen Museum zu einem Besuch in Berlin aufhielten, die Teilnehmer*innen auf die einseitige Schuldzuweisung an Israel ansprechen. Sie weisen darauf hin, dass die getöteten Menschen zu betrauern sind, aber die Verantwortung für die militärische Eskalation im Gazastreifen bei der dort regierenden islamistischen und antisemitischen Terrororganisation Hamas liege, die israelische Zivilist*innen regelmäßig mit Raketen beschießt. Die Teilnehmer reagieren äußerst aggressiv, beschimpfen den Holocaust-Überlebenden als „Nazi“, „Faschist“, „Mörder“ und „Besatzer“ (hier offenbart sich die zutiefst antisemitische Denkfigur, Jüdinnen_Juden für die Politik des israelischen Staates verantwortlich zu machen), den Sohn schubsen sie mehrfach. Der in Berlin geborene Überlebende, der sich mit den so genannten „Kindertransporten“ 1938/1939 noch rechtzeitig nach England retten konnte, erzählt im anschließenden Gespräch mit einem Kamerateam, dass seine Eltern und seine Cousine von den Nazis ermordet wurden. Ein Teilnehmer der „Mahnwache“ kommt hinzu. Nachdem er Vater und Sohn zunächst auffordert, Deutsch zu sprechen, man sei hier ja schließlich in Deutschland, wirft er ihnen vor, die deutsche Geschichte, also die Shoa und seine persönliche Familiengeschichte zu instrumentalisieren, um die „Besatzung in Palästina“ zu legitimieren. Die Behauptung, dass Jüdinnen_Juden angeblich versuchen, aus der Shoah politisches Kapital zu schlagen, offenbart erneut eine eindeutig antisemitische Denkweise.

 

Tel Aviv Beach Party Kreuzberg, 30.08.2015:

Bei einer Party in einer Bar am Spreeufer kommt es zu Störungen beim Einlass. Rund 15 antizionistische Demonstrant*innen blockieren den Eingang zu der Party und rufen Parolen wie „Boykott Israel“, „Kindermörder Israel“, „Rassisten raus“ und „Palestine will be Free – From the River to the Sea“, während sie den Partygästen unterstellen, sie würden einen Genozid (in Gaza) feiern. Mindestens zwei Personen, die bereits am Donnerstag aufgefallen sind, nehmen an der Aktion teil. (3)

 

k-fetisch Neukölln, 30.08.2015:

Weil einer der Störer_innen vom Donnerstag bereits einen Tag zuvor in einem Neuköllner Café wegen des Tragens eines „Free Palestine“-Shirts unter Verweis auf die Unerwünschtheit nationaler Symbole des Ladens verwiesen wurde, kommt es dort zu einer „Soliaktion“. 10 mit Palitüchern bekleidete Personen betreten das Café, fordern die Mitarbeiter*innen zu einer Stellungnahme auf und filmen die Angestellten trotz mehrfacher Aufforderung, das Filmen zu unterlassen. Mindestens eine Person von Donnerstag ist an der Störaktion beteiligt und stellt das Video in Soziale Netzwerke. Auf der Facebook-Seite der Person wird angedroht, erneut und mit mehr Menschen dieses Café aufzusuchen.

 

(1) Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)

(2) YouTube

(3) YouTube

Süddeutsche Zeitung

Jüdische Allgemeine

 

Autonome Neuköllner Antifa [ANA], im September 2015

13.08. Antifa-Tresen: Über 22 Jahre nach Solingen

Es ist 2015 und erneut werden Brandsätze, Steine und Feuerwerkskörper gegen Geflüchtetenunterkünfte geworfen und rassistische Mobilisierungen halten an, während im Bundestag einer erneute Asylrechtsverschärfung zugestimmt wird. Vor über 22 Jahren am 29. Mai 1993 starben in Solingen 5 Menschen durch einen Brandanschlag auf ihr Wohnhaus. Kurz zuvor reagierte die deutsche Regierung mit der Einführung der Drittstaatenregelung auf die Pogrome in Rostock und Hoyerswerda.

Mit zwei Filmen (35min + 45min), die anlässlich des Gedenkens an 20 Jahre Solingen entstanden, wollen wir die damaligen Ereignisse und ihre Aufarbeitung bis heute in Erinnerung rufen.

In dem Film „93/13 – Zwanzig Jahre nach Solingen“ dokumentiert Mirza Odabaşı Gespräche über Alltagsrassismus von Seiten der Betroffenen und die Folgen des Brandanschlags.

Die WDR-Dokumentation „Alle sind noch da, nur die Toten nicht – 20 Jahre nach dem Brandanschlag in Solingen“ setzt ihren Fokus auf die Aufarbeitung innerhalb der Nachbar_inneschaft und stellt sich der Frage, wie die Stadt Solingen sich mit ihrer Geschichte, der Geschichte der Täter auseinander setzt.

 

Das Ganze findet im Rahmen des Antifa-Tresens der Autonomen Neuköllner Antifa statt. Wie immer mit leckeren Cocktails und erfrischenden Getränken.

Ab 20.00 Uhr im Projektraum H48 Neukölln.

Hermannstraße 48 (2. Hinterhof | 1. Etage) – Nähe U-Bhf. Boddinstraße (U8) –> bei „Projektraum“ klingeln

Neuköllner Chronik erneuert

Die Neuköllner Chronik rechter Aktivitäten wurde nun umfangreich überarbeitet und aktualisiert. Allein aus dem Jahre 2013 mussten wir 86 Vorfälle nachtragen und auch für die erste Hälfte des Jahres 2015 sind mittlerweile über 30 Einträge vorhanden.Zu finden ist sie nach wie vor hier auf der Seite unter „Chronik„.

Die Neuköllner Chronik dient dazu, neonazistische, rassistische, homophobe oder sonst wie extrem rechts motivierte Aktivitäten der letzten Jahre, die in Neukölln oder unter Beteiligung Neuköllner Neonazis stattfanden, oder sonst wie im Bezug zu Neukölln stehen, zu dokumentieren.

Lokale Chroniken erwiesen sich in der Vergangenheit als wichtiges Instrumentarium antifaschistischer Arbeit. Initiativen, Journalist_innen, lokale Politiker_innen und alle anderen, die antifaschistisch tätig sind, können die Erkenntnisse auswerten, Analysen mit Fakten unterlegen und Gegenstrategien entwickeln. Kurz, die interessierte Öffentlichkeit kann sich ein realistisches Bild rechter Aktivitäten im Bezirk machen.

Aber auch antifaschistische Aktivist_innen können auf Grundlage der Erkenntnisse gezielt intervenieren, z.B., wenn sich räumliche oder strategische Schwerpunkte neonazistischer Aktivitäten ausmachen lassen.

Die Neuköllner Chronik wird ab nun wieder regelmäßig aktualisiert und durch Nachmeldungen ergänzt, erhebt aber natürlich trotzdem keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Quellen der Informationen sind andere antifaschistische Initiativen und Gruppen, Opferberatungsstellen, Medien, Polizeimeldungen und Anwohner_innen- und Augenzeug_innenberichte. Um sie so vollständig wie möglich zu führen, sind aber alle gefragt: Bitte meldet eure Beobachtungen im Bezirk unter Kontakt.

Zudem verweisen wir hier auch auf das Register Berlin, und auf Rechtes Land – Atlas zur extremen Rechten.

11.07: Kein Al-Quds Marsch 2015! Gemeinsam gegen den größten antisemitischen Aufmarsch Deutschlands!

Kein Al Quds-Marsch 2015! Gemeinsam gegen den größten antisemitischen Aufmarsch Deutschlands!

Antifa-Demo: 11.07.2015 I 11.00 Uhr I Breitscheidplatz
Antifa-Kundgebung: 11.07.2015 I 13.30 Uhr I Adenauerplatz
+++ Der diesjährige Al-Quds Marsch wurde auf den 11.07. verschoben, dementsprechend finden auch die Gegenproteste einen Tag später statt +++
Weitere Informationen & Mobi-und Infoveranstaltungen auf dem Blog des Antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den Al-Quds Tag
 

Wenn über tausend Antisemit*innen gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Existenz des jüdischen Staates zu demonstrieren, dann sollte das eigentlich Grund genug sein, eine breite Gegenöffentlichkeit zu schaffen und ihnen nicht das Feld zu überlassen. Obwohl der jährliche Al Quds-Marsch die größte regelmäßig stattfindende antisemitische Veranstaltung in Berlin ist, ruft dies lediglich bei wenigen eine Bereitschaft zum Protest hervor. Was ist das für ein Tag, an dem auch in Berlin zur Vernichtung Israels aufgerufen wird?

Die Bedeutung des Al Quds-Tages
Der Al Quds-Tag (Quds = arabisch für Jerusalem) ist ein politischer Kampftag für die Eroberung Jerusalems und Vernichtung Israels, der 1979 von Ayatollah Khomeini, dem iranischen Revolutionsführer, eingeführt wurde. Er wird nicht nur als Tag des Widerstandes gegen den jüdischen Staat verstanden, sondern auch als „Kampftag für die Unterdrückten der Welt“. Mit der Forderung, dass „die Unterdrückten“ sich ausgerechnet gegen den jüdischen Staat zur Wehr setzen sollen, steht der Al Quds-Tag in einer antisemitischen Tradition: Die Idee einer „jüdischen Weltverschwörung“, die für alle Übel der Gegenwart verantwortlich sein soll, war bereits zentraler Bestandteil der antisemitischen nationalsozialistischen Propaganda. Für die Islamische Republik Iran ist Antisemitismus seit der Gründung im Jahr 1979 zentraler Bestandteil der Staatsideologie.

Antisemitismus als das verbindende Element
Charakteristisch für die antisemitische Ideologie ist es, sich selbst als Opfer „der Juden“ zu imaginieren. Bereits im Vorwort seines Hauptwerkes „Der islamische Staat“ verkündete Khomeini: „Die Juden waren es, die als erste mit der antiislamischen Propaganda und mit geistigen Verschwörungen begannen.“ Die Idee einer globalen jüdischen Verschwörung mobilisiert nun seit fast 20 Jahren alljährlich Islamist*innen nach Berlin, wo sie in Begleitung von Neonazis, Verschwörungsideolog*innen und israelhassenden Linken gemeinsam gegen den Staat Israel und für das islamistische Regime im Iran demonstrieren. Der Antisemitismus und die Frontstellung gegen die USA und Israel sind der stärkste Kitt dieser unterschiedlichen reaktionären Kräfte. Antiamerikanismus, eine pauschale Globalisierungsfeindschaft, eine ideologische Ausrichtung gegen Vorstellungen von liberaler Demokratie und moderner Gesellschaft eint islamistische, nationalistische und antiimperialistische Kräfte.

Auch bei fast allen Aufmärschen, die letztes Jahr anlässlich des Gaza-Krieges stattfanden, wurde Zionismus als weltumspannende, die Medien kontrollierende Macht imaginiert. Zu den gerufenen Parolen zählten in den vergangenen Jahren nicht nur „Kindermörder Israel“, „Frauenmörder Israel“ und „Zionisten sind Faschisten“. In Berlin skandierte eine Menge „Jude Jude feiges Schwein“, an anderen Orten „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“, „Tod den Juden, Adolf Hitler!“ sowie „Lügenpresse“. Dass „die Juden die Presse beherrschen“ sollen, ist ein alter antisemitischer Hut, der gerne immer wieder zum richtigen Zeitpunkt ausgepackt wird. Ebenso bedienen sich diese Parolen alter, antijüdischer Bilder. Deutlich werden hier auch die antisemitischen Traditionen und wie Antisemitismus über vermeintliche Israelkritik auf fruchtbaren Boden stößt. Dass eliminatorischer Antisemitismus immernoch allgegenwärtig ist zeigen die restlichen Parolen sowie der Prediger Abu Bilal Ismail, der in der Berliner Al-Nur Moschee forderte „Oh Allah, zerstöre die zionistischen Juden, zähle und töte sie alle.“ Die Wuppertaler Synagoge wurde mit Molotow-Cocktails angegriffen. Die Vorfälle blieben weitgehend ohne ernsthafte Konsequenzen. Bei dem Anschlag auf die Synagoge sah das Gericht keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat und wertete ihn damit quasi als eine Form der „Israelkritik“. Die antisemitischen islamistischen Mordanschläge in Europa, wie die in Paris und Kopenhagen, erregten bei der deutschen Linken kaum Empörung.
70 Jahre nach der militärischen Zerschlagung Nazi-Deutschlands und der Beendigung seines antisemitischen Vernichtungsprojekts gilt es, denjenigen klar zu widersprechen, die Antisemitismus als ein importiertes Problem begreifen. Nicht nur Studien zeigen, dass ein relevanter Teil der deutschen Bevölkerung bis heute antisemitisch denkt. Fast wöchentlich werden jüdische Friedhöfe beschädigt, jüdische Einrichtung müssen weiterhin bewacht werden und viele Jüdinnen*Juden fühlen sich nicht mehr sicher. Der deutsche Antisemitismus hat Tradition, und tritt regelmäßig klar zu Tage. Er kann derzeit jedoch nicht so offen ausgetragen werden, wie im Holocaust-Leugner-Regime Iran.

 

 

Der Iran und seine Hegemonialpolitik
Der Al Quds-Tag ist vor allem ein Kampftag des iranischen Regimes. Zu dessen Opfern gehörten zuerst die Menschen im Iran: Zehntausende Oppositionelle, die seit 1979 hingerichtet wurden, ebenso wie LGBTIQ* oder Menschen, die sich vom Islam abwenden. Die Unterdrückung von Frauen und die Verfolgung religiöser Minderheiten wie der Bahai, sind weitere Kapitel der traurigen Historie der Islamischen Republik. Schließlich endet das verheerende Werk der Mullahs nicht an den Landesgrenzen: neben der Destabilisierung des Irak, die maßgeblich zur Entstehung des Islamischen Staates beitrug, unterstützt das Mullahregime den syrischen Diktator Bashar al Assad bei seinem Krieg gegen die eigene Bevölkerung nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Einheiten der islamischen Revolutionsgarden. Während die Hisbollah im Libanon seit ihrer Gründung 1982 aus dem Iran finanzielle, politische, militärische und ideologische Unterstützung erhält, unterstützt das Mullah-Regime aber auch die sunnitische Hamas und brüstet sich seit Neuestem damit, mit Sanaa im Jemen (wo der Iran schiitisch-islamistische Rebellen mit Waffen versorgte) eine vierte Hauptstadt in der arabischen Welt unter Kontrolle zu haben. Kassem Soleimani, Kommandeur der Eliteeinheit der „Quds“-Brigaden, kündigte an, als nächstes Jordanien kontrollieren zu wollen.

Das Atomprogramm und die Handelsbeziehungen
Gleichzeitig treibt das iranische Regime seine atomare Bewaffnung voran. Dies bringt nicht nur den jüdischen Staat in höchste Gefahr. Ein islamistisches Regime mit Atomwaffen ist die drängendste antisemitische Bedrohung der Gegenwart und nicht nur für die gesamte Region von existenzieller Bedeutung. Dennoch nimmt der Druck auf das iranische Regime in den Verhandlungen über sein Atomprogramm ab.
Die Sanktionen sind bereits Ende 2013 abgeschwächt worden, und in den derzeitigen Verhandlungen der P5+1 mit dem iranischen Regime, die am 30. Juni in einem Abkommen münden sollen, werden dem Regime Zugeständnisse gemacht, die die atomare Infrastruktur des Regimes intakt lassen und den Weg zur Atombombe ebnen. Dennoch ist fraglich, ob es ein Abkommen geben wird, da das iranische Regime bisher zu keinen substanziellen Zugeständnissen bereit ist.
Diese Entwicklung findet statt, während unter der Präsidentschaft Hassan Rohanis die Hinrichtungszahlen stark angestiegen sind. Statistisch gesehen wird alle sechs Stunden ein Mensch von Rohanis Regime ermordet.

Deutschland zählt weiterhin zu den wichtigsten Handelspartnern des antisemitischen Regimes. Deutsche Unternehmen bereiten sich auf das Ende der Sanktionen und auf einen Ausbau der Geschäfte vor – darunter einige Firmen wie Siemens und ThyssenKrupp, die als Stützen des nationalsozialistischen Regimes an der Plünderung Europas und Zwangsarbeit profitiert haben. Lobbyorganisationen werben seit Monaten für den Wiedereintritt in den „interessanten“ Markt, der Millionen an Profit verspricht. Die Außenhandelskammer in Teheran wird dabei tatkräftig von der Bundesregierung unterstützt.

Zeit, aktiv zu werden
Es gilt, nicht aus einem falsch verstandenen Antirassismus heraus zu den Unzumutbarkeiten der Islamischen Republik zu schweigen. Dementsprechend wird es auch dieses Jahr am Al Quds-Tag darum gehen, kompromisslos klarzumachen, dass Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit, Sexismus und andere faschistoide Zumutungen auch dann nichts auf Berliner Straßen verloren haben, wenn sie sich unter dem Banner des politischen Islam zu organisieren suchen.

Stattdessen wird es unser Anliegen sein, unmissverständlich unsere Solidarität mit dem jüdischen Staat kundzutun und den Vernichtungsdrohungen der islamischen Republik und ihrer Unterstützer*innen in Berlin entgegenzutreten. Unsere Solidarität gilt den säkularen und demokratischen Kräften, die im Iran für den Sturz des Regimes kämpfen. Und ebenso all jenen, die in der arabischen Welt, im Iran und anderswo für die Freiheit kämpfen, für die es indiskutabel ist, sich dem Terror des politischen Islams zu unterstellen und für die noch immer das Ziel lautet, in einer Gesellschaft zu leben, in der die individuelle freie Entwicklung die unhintergehbare Voraussetzung für die Entwicklung aller ist.

In diesem Sinne:
Solidarität mit den von Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit und Patriarchat Betroffenen!
Solidarität mit den emanzipatorischen Kräften im Iran!
Solidarität mit Israel!
Nieder mit dem Al Quds-Tag!
Nieder mit dem Holocaust-Leugner-Regime im Iran!

*LGBTIQ meint „lesbian, gay, bisexual, transgender, intersex and queer“