27. Januar 2018

Ihr, die ihr sicher wohnt
In euren gewärmten Häusern,
Ihr, die ihr bei der Heimkehr am Abend
Warmes Essen findet und Freundesgesichter:

Fragt, ob das ein Mann ist:
Der arbeitet im Schlamm
Der kennt keinen Frieden
Der kämpft um ein Stück Brot
Der stirbt auf ein Ja, auf ein Nein hin.
Fragt, ob das eine Frau ist:
Kahlgeschoren und ohne Namen
Ohne Kraft der Erinnerung mehr
Leer die Augen und kalt der Schoß
Wie eine Kröte im Winter.

Denkt, daß dieses gewesen:
Diese Worte gebiete ich euch.
Ins Herz schärft sie euch ein,
Wenn ihr im Haus seid oder hinausgeht,
Wenn ihr euch niederlegt oder erhebt:
Sprecht sie wieder und wieder zu euren Söhnen.
Sonst sollen eure Häuser zerbersten,
Krankheiten über euch kommen,
Eure Nachgeborenen das Gesicht von euch wenden.

– Primo Levi (10. Januar 1946)

Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Dabei sollte der 27. Januar nicht nur als Gedenktag gesehen werden, sondern ebenso als ein Tag an dem etwa rechtliche Kämpfe um Entschädigungszahlungen mehr Gehör im erinnerungspolitischen Diskurs erhalten als sonst.

Noch immer erhalten viele Überlebende Jüdinnen_Juden und Rom_nja keine Ghetto-Rente. Denn kein_e Ghetto-Überlebende_r kann allein mit seinen Ghetto-Beitragszeiten aus den höchstens 48 Monaten, während der die Ghettos bestanden, eine Altersrente beanspruchen, für welche eine Mindestversicherungszeit von 60 Monaten in der deutschen Rentenversicherung erforderlich ist.

Erinnern heißt sich auch mit diesen weiterhin aktuellen Kämpfen zu solidarisieren und gleichzeitig jeglichen rechten Vereinnahmungen und revisionistischen Einstellungen in Gesellschaft und Politik entgegen zu treten.