Antifa statt Verbote – Gegen jeden Antisemitismus!

Am heutigen Tag aber auch am gesamten Wochenende sollten in Berlin mehrere Demonstrationen und Versammlungen anlässlich des sogenannten „Nakba-Tages“ stattfinden.

Unter dem Begriff der „Nakba“ (Arabisch: „Katastrophe“) existiert eine Erinnerungskultur, welche die Staatsgründung Israels und den damit einhergehenden arabisch-jüdischen Krieg als „Nakba“ begreift. Der Ausgang dieses Krieges bedeutete für viele Palästinenser_innen Flucht und den Verlust von Siedlungsgebieten. Viele Schicksale, die in ihren einzelnen Geschichten ein Andenken und Erinnern verdienen sollen dabei nicht Gegenstand der Kritik sein, wohl aber die spezifische Form des Gedenkens. Denn unterschlagen wird bei dieser Erinnerungskultur der direkte Angriffskrieg der arabischen Staaten auf das gerade gegründete Israel, der in der Bevölkerung zu Teilen auch auf Zustimmungen gestoßen ist.
Unter dem Begriff der „Nakba“ ist dabei eine politische Instrumentalisierung der palästinensischen Opfer des Kriegsgeschehens zu verstehen, die dazu dient Israel als jüdischer Staat das Existenzrecht abzusprechen, zu delegitimieren und zu dämonisieren. [1]

Gleichzeitig versuchen die aufrufenden und unterstützenden Gruppen eine vermeintlich einheitliche palästinensische Identität zu beschwören, etwa wenn Die Linke Neukölln die „Nakba“ zum historischen Trauma für Zehntausende Berliner_innen mit palästinensischer Migrationsgeschichte erklärt oder schon qua Kampagnenname beansprucht wird für Palästina zu sprechen. Für die Vereinnahmte Personengruppe bleibt so Individualität und Interaktion mit sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen kaum mehr denkbar, familienbiografische Bezüge sind in einem solchen instrumentellen identitätspolitischen Denken nicht mehr oder weniger prägende Größen, zu denen die Individuen sich unterschiedlich verhalten, sondern sie werden zu Determinanten. So verbleiben Palästinenser_innen als ewige Opfer der Gründung Israels. [2]

Wie bereits vor einigen Wochen, nachdem es auf mehreren israelfeindlichen Demonstrationen zu antisemitischen Parolen, Beschimpfungen und Übergriffen kam [3], reagierten die Berliner Versammlungsbehörden erneut mit einem Verbot von allen thematischen Anmeldungen. Zweifelsohne ist jeder Schritt, der die Manifestation von offenen Antisemitismus, wenn auch nur temporär, unterbindet zu begrüßen. Gleichzeitig ist es emanzipatorischen Antifaschist_innen aber ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass staatliche Verbote die Gefahr, die vom Antisemitismus ausgeht, nicht einfach beenden werden. [4] Ein Diskurs über Antisemitismus, der eine Verbotslogik bedient, die sich schnell auch gegen linksradikale Bewegungen wenden kann und den Mythos der „wehrhaften Demokratie“ weiterträgt, kann und wird nicht unserer sein.
Als Gruppe und Teil des antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag haben wir uns in der „Kein Al Quds-Tag“-Broschüre (2021) ausführlicher mit dem Thema auseinandergesetzt und dargelegt, warum Appelle an den deutschen Staat aus unsere Sicht den Kampf gegen Antisemitismus nicht voranbringen werden. [5]

Antifa statt Verbote!

Gegen jeden Antisemitismus und für eine emanzipatorische Gesellschaft!

[1] Weitere Hintergründe unter: https://keinalqudstag.noblogs.org/material/nakba-tag/

[2] Siehe Debattenbeitrag von Rosa Fava: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rosa-fava-emotionalisierung-sprachlosigkeit-und-herkunftsfetischismus-statt-echter-solidaritaet-83417/

[3] Siehe Rückblick zu den Versammlungen am 22. und 23. April 2022: https://www.antifa-neukoelln.net/index.php/2022/04/24/erneut-antisemitische-demonstrationen-in-neukoelln-und-kreuzberg/

[4] Siehe etwa Beitrag der Autonomen Jüdischen Gruppe Berlin: https://twitter.com/AutonomeB/status/1524759678768627712

[5] Die ganze Broschüre findet ihr hier: https://keinalqudstag.noblogs.org/post/2021/04/27/broschuere-2021/