REDEBEITRAG auf der Kundgebung gegen den Al Quds-Tag 2012

Redebeitrag zu den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, gehalten auf der antifaschistischen Kundgebung am 18. August 2012 in Berlin-Charlottenburg gegen den Al Quds-Tag.

Auch hier und heute: Der Hauptfeind bleibt Deutschland!

Heute sind wir hier, um gegen den alljährlichen, antisemitischen Al-Quds-Marsch von hunderten Islamist_innen, Antizionist_innen und Anhänger_innen des Regimes im Iran zu protestieren. Der Protest gegen die aktiv auf die Straße getragene Vernichtungsdrohung gegen den Staat Israel ist wichtig. Es muss jedoch festgestellt werden, dass die politische Wirkmächtigkeit der zum Al-Quds-Marsch mobilisierenden Gruppen in der deutschen Gesellschaft verhältnismäßig gering ist. Es ist Kernaufgabe einer radikalen Linken in Deutschland, die deutschen Verhältnisse und somit den deutschen Staat ins Visier zu nehmen.

Während des Kalten Krieg wurde die BRD noch zum Bündnis mit dem jüdischen Staat gezwungen, ohne dass dies wesentliche Konsequenzen für die Konstruktion deutscher Nationalidentität gehabt hätte. Nach der Wende 1989/90 verlangte das neue, größer gewordene Deutschland jedoch nach der Neukonstruktion einer unbelasteten deutschen Identität. Die Normalisierung des positiven Bezugs auf die deutsche Nation konnte nur durch die erinnerungspolitische Integration der Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust gelingen. So wurde das plakative Bekenntnis zu Israel fester Bestandteil der deutschen Staatsräson. Die neuen Kriege des geläuterten Aufarbeitungsweltmeisters werden nicht trotz sondern wegen Auschwitz geführt. Das singuläre Wüten des Wahns deutscher Antisemit_innen wird zum moralisch unverdächtigen Legitimationsinstrument zur Durchsetzung deutscher Interessen und damit zum Ticket für die Rückkehr ins Konzert der Großmächte gewendet.

Entgegen der bei jeder Gelegenheit heraus posaunten „besonderen Verantwortung“ der geläuterten Nation für den Staat Israel ist festzustellen, dass Antisemitismus und Antizionismus weiterhin wirkmächtige Ideologien sind. Auf sie kann auch im schwarz-rot-geilen Deutschland beständig zurückgegriffen werden. Während große Teile der Bevölkerung bis hin zu den gesellschaftlichen Eliten antisemitische Ressentiments teilen und transportieren, ist das Unterlaufen der Sicherheit Israels de facto weiterhin Teil des staatlichen Handelns der BRD. Trotz vorhandener gesetzlicher Grundlage, obrigkeitsstaatlicher Mittel und internationaler Ächtung macht die BRD keine Anstalten, deutsche Unternehmen daran zu hindern, Feinde Israels mit Waffen, Rüstungsgütern und militärisch verwendbaren Produkten auszustatten. Zuletzt wurde diese Kollaboration unfreiwillig enttarnt, als der Computerwurm Stuxnet im Sommer 2010 das iranische Atomprogramm zeitweilig lahmlegte. Da der Wurm nur bei Siemensprogrammen aktiv werden konnte, bewies der Vorfall, dass das iranische Atomprogramm essentiell auf der Ausstattung durch Siemens-Produkte basiert. Durch diesen Handel unterstützt Siemens ein Regime bei der Herstellung der Atombombe, das die Vernichtung Israels offen auf seine Fahnen geschrieben hat.
Die deutschen Angriffe auf die Souveränität und das Existenzrechts Israels werden jedoch auch auf der ideologischen Ebene geführt. Während deutscher Menschenrechtsbellizismus anderswo militärische Interventionen mit Auschwitz rechtfertigt, muss sich der Staat der Auschwitz-Überlebenden immer wieder der neu entdeckten deutschen Friedensliebe erwehren. So lacht das deutsche Friedensherz, wenn Günter Grass Israel zum allein Schuldigen am Nahostkonflikt und zum Feind des Weltfriedens erklärt, oder wenn FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel die Abriegelung des Gaza-Streifens eigenmächtig durchbrechen will, um sich als moralische Instanz für die humanitäre Situation im Gaza-Streifen zu profilieren. Noch geschichtsrevisionistischer und die deutsche Schuld relativierender werden andere: Ein hochrangiges Mitglied der deutschen Bischofskonferenz setzte nach einer Reise in den Nahen Osten die Situation der palästinensischen Bevölkerung in Ramallah mit dem Schicksal der Jüdinnen und Juden im Warschauer Ghetto gleich. Zeitgemäß – unter vorgeblich antirassistischen Vorzeichen – gewendet wird das antiisraelische Ressentiment von Sigmar Gabriel, der im Rahmen einer Nahost-Reise bei Facebook über den vermeintlichen Apartheidsstaat Israel schwadronierte.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie die Sicherheitsinteressen des jüdischen Staates von deutscher Seite fortwährend nicht nur auf ideologischer Ebene delegitimiert, sondern sein Existenzrecht auch auf realpolitischer Ebene faktisch untergraben wird. Wer Antizionismus bekämpfen und sich mit dem Schutzraum von antisemitisch Verfolgten solidarisch zeigen will, kann auf Deutschland nicht zählen. Wo eine Welt ohne Antisemitismus angestrebt wird, müssen die deutschen Verhältnisse überwunden werden. Denn der Hauptfeind bleibt Deutschland.

Zusammen kämpfen gegen Antizionismus und Antisemitismus – Für eine Welt ohne Deutschland!