Der sogenannte Al Quds-Tag wurde 1979 im Rahmen der Islamischen Revolution im Iran als Feiertag ausgerufen, um für die Vernichtung Israels zu demonstrieren. Auch in Berlin ziehen zu diesem Anlass jährlich mehrere hundert Antisemit:innen durch die Straßen. Als antifaschistisches Bündnis stellen wir uns gegen diesen Marsch und die dort propagierte Ideologie des Antisemitismus, patriarchale Unterdrückung und in Solidarität mit den emanzipatorischen Kämpfen im Iran. Die Texte der vorliegenden Broschüre behandeln die zentralen Themen, die unsere politische Auseinandersetzung mit dem Al Quds-Tag seit Jahren begleiten.
Mit dem 8. Mai 1945 trat die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Kraft und bedeutete als Sieg der Alliierten das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Europa und die Befreiung für Zwangsarbeiter_innen und Jüdinnen_Juden. Viele der europäischen Zwangsarbeiter_innen sowie die absolute Mehrzahl der Jüdinnen_Juden erlebten die Befreiung jedoch nicht mehr. Nur wenigen war es vorher gelungen, unterzutauchen und zu überleben. Schließlich bedeutete der Sieg der Alliierten auch die Befreiung für die Widerstandskämpfer_innen der verschiedenen sozialdemokratischen, kommunistischen, konservativen und liberalen Gruppen. Unser Dank gilt den alliierten Armeen, den Partisan_innen und allen anderen Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens für die Zerschlagung Deutschlands kämpften.
Eine notwendige Kritik an dem heutigen gedenk- und erinnerungspolitischen Umgang mit diesem Tag, darf dabei nicht bei der bundesrepublikanischen „Aufarbeitung“ und spätestens seit Richard von Weizsäckers Rede als stolze Affirmation auftretenden Aneignung des „Tags der Befreiung“ stehen bleiben. Schon vor einigen Jahren erschien ein dazu lesenswerter Artikel [1], der daran erinnerte, dass „linke Gesten am »Tag der Befreiung« […] häufig nicht geeignet [sind], unterschiedliche Facetten des Gedenkens zu integrieren. Die Komplexität des Zweiten Weltkrieges verschwimmt mit einer zunehmender Ritualisierung des Gedenkens daran.“ Somit wird ein wichtiger Kritikpunkt sichtbar, der wohl auch auf einen solchen, ritualisierten Facebook-Post inklusive Schwarz-Weiß-Bild zutrifft. Der Artikel verweist darauf, dass für viele „Befreite“ Ausgrenzungen, Antisemitismus und weitere Diskriminierungen, sowie Kämpfe um Anerkennung auch nach dem 8. Mai noch alltäglich waren und sind: „Sofern Rituale angemessen erscheinen, müssen sie hinterfragbar bleiben, ebenso wie ihre Symbole und die, die sich Linke zu eigen machen. In einer solidarischen Auseinandersetzung müssen diejenigen Beachtung finden, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges um die Anerkennung der »Befreiung« gestritten haben.“
Dass es auch weiterhin gilt sich sowohl Deutschland als vermeintlich „geläuterter Nation“ gegenüber unversöhnlich zu zeigen, als auch rechten Revisionismus tagtäglich entgegen zu treten, zeigen auch immer wieder die Äußerungen rechte Akteur_innen in denen bspw. die zivilisatorische Bedeutung des 8. Mai verleugnet und über verlorenen Lebensraum im Osten räsoniert wird.
Wir nehmen den 8. Mai zum Anlass, um insbesondere an die Befreiung Berlins durch die Rote Armee zu erinnern und dabei nicht zu vergessen, dass Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus Teil des bundesdeutschen Alltags sind.
Unser Dank heißt weiterhin Krieg den deutschen Zuständen!
Auch im Jahr der Corona-pandemie rufen antifaschistische Gruppen wie die Berliner VVN-B.d.A und weitere Organisationen zu vielen Gedenkveranstaltungen auf, bei der wir euch insbesondere auf die Ausstellung „Zwangsarbeit in der Hufeisensiedlung – eine verdrängte Geschichte“ und die Enthüllung einer Gedenktafel am Standort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Onkel-Bräsig-Str. 6-8 durch die Initiative Hufeisern gegen Rechts hinweisen wollen:
13:00 – 17:00 Uhr auf dem Platz vor der Hufeisentreppe 16:30 Uhr Enthüllung einer Gedenktafel am Standort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Onkel-Bräsig-Str. 6-8
Bildquelle „Vilna after the liberation, July 1944 Jewish partisans, who were members of the FPO, left the ghetto and fought as partisans in the Rudniki Forest. Yad Vashem Photo Archives 4613/139 Weniger anzeigen32
Anlässlich des 8. Mai 2021, dem Tag der Befreiung vom Faschismus lädt die Anwohner_inneninitiative Hufeisern gegen Rechts zu der Ausstellung „Zwangsarbeit in der Hufeisensiedlung – eine verdrängte Geschichte“ ein.
⇒ 13:00 – 17:00 Uhr auf dem Platz vor der Hufeisentreppe
⇒ 16:30 Uhr Enthüllung einer Gedenktafel am Standort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Onkel-Bräsig-Str. 6-8
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Der Berliner VVN-B.d.A lädt für heute zu einer Kundgebung vor das Berliner Abgeordnetenhaus ein, um unter dem Motto Der 8. Mai muss ein Feiertag werden – Berlin macht den Anfang! für eine ernsthafte Repräsentation des Tages der Befreiung in Berlin einzustehen.
Kundgebung | 6. Mai 2021 | 10.00 Uhr | vor dem Berliner Abgeordnetenhaus (Niederkirchnerstr. 5)
Nachdem die bisherige Anmeldung für den diesjährigen Quds-Marsch am 8. Mai in Berlin gestern zurückgezogen wurde, hat die genannte Parole wohl auch in diesem Jahr ihre reale Umsetzung gefunden. [1] Bereits in der vergangenen Woche wurden die diesjährigen antisemitischen Veranstaltungen im Iran aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. [2]
Ein nun in Berlin nicht stattfindender Aufmarsch ist dabei zunächst einmal zu begrüßen, aber birgt ähnlich wie die immer wieder geführte Debatte über Verbote auch einige Gefahren bezüglich eines antifaschistischen Engagements gegen Antisemitismus.
Gründe, um im Ergebnis ein Verbot und die momentane Absage gutzuheißen, liegen auf der Hand: weniger offener Antisemitismus auf den Straßen Berlins – zumindest an diesem Tag. Während der Quds-Demonstration müssen sich Jüdinnen_Juden und auch israelsolidarische Linke vor Angriffen schützen. Findet der Marsch nicht statt, würden zumindest die antisemitischen Angriffe, die regelmäßig seinem Kontext geschehen, ausbleiben. Das sind gute Aussichten, die die Berliner Straßen für die Betroffenen antisemitischer Gewalt zumindest temporärer sicherer machen. Gerade aus der Perspektive Betroffener ist ein Verbot mehr als ein symbolischer Akt, denn es geht im Zweifel um ihre körperliche Unversehrtheit und die Möglichkeit, sich ohne Angst auf den Straßen bewegen zu können.